Schutz-, Empowerment- und Care-/Awareness-Konzept


Das hier ist ein Konzept von ein paar Leuten, die das Protestival vorbereiten. Wenn ihr irgendwas uncool findet, dann freuen wir uns über Kritik und Austausch.


Unser Ziel.

Also Leute, wir möchten, dass das Protestival ein schöner und sicherer Ort für uns alle ist und eben speziell für marginalisierte Leute in dieser patriarchalen Gesellschaft. Wir leben in einer Gesellschaft, die richtig fies sein kann und von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist. Menschen werden aufgrund bestimmter Merkmale bevorteilt (Privilegierung) und/oder benachteiligt (Diskriminierung). Privilegierung und Diskriminierung können bei einzelnen Personen in verschiedenen Formen und Kombinationen auftreten und darüber hinaus bewusst und unbewusst ausgeübt und erfahren werden.

Wir sind uns bewusst, dass wir keinen diskriminierungsfreien Raum schaffen können, also Diskriminierung nicht vollkommen verhindern, oder Diskriminierungserfahrungen komplett angemessen auffangen können. Dieses Versprechen sollte auch kein linker/anarchistischer/o. Ä. Ort geben, denn zu oft werden in solchen angeblich emanzipatorischen Orten unreflektiert Machtstrukturen reproduziert und wirken sich ausschließend auf gesellschaftlich wenig privilegierte Leute aus. Wir als Vorbereitungsteam können es nicht gewährleisten, dass nichts Gemeines gesagt oder getan wird auf dem Camp und dies kann auch keine einzelne Struktur schaffen. Aber wir können uns alle zusammen darum kümmern und unser Bestes geben, offen bleiben für Kritik von anderen, um damit in einer Weise umgehen zu können, die sich nicht schlecht auf Betroffene auswirkt. Es ist zum Beispiel nicht cool, wenn sich jemand mit einer Situation oder Verhalten unwohl fühlt, es dir sagt und du dann die Person dafür verantwortlich machst oder sagst, die Person würde eskalieren.


Jaaa…Awareness-Team.

Wir finden, dass Freund*innen oder Bezugspersonen oft die Besten sind, um gemeinsam zu kämpfen. Es kommen aber sicher einige Leute ohne Bezugis oder eure Freund*innen sind gerade nicht hilfsbereit, deswegen möchten wir jeden Morgen ein Team zusammenstellen, damit ihr nicht allein dasteht, wenn ihr Hilfe braucht. Viele Leute nennen so eine Struktur Awareness-Team.

Awareness bedeutet bestenfalls, einen rücksichtsvollen, verantwortungsbewussten und solidarischen Umgang miteinander zu etablieren und zu pflegen. Räume sollen diskriminierungs- und machtsensibel und zugänglich sein, um Gewalt zu minimieren und eine solidarische Praxis zu etablieren.

Das bedeutet für unser Protestival, dass alle Teilnehmenden die Verantwortung tragen, ihre Denkweisen und ihr Verhalten kritisch zu hinterfragen und auf Kritik anderer gut zu reagieren. Intersektionalität stellt dabei ein gutes Konzept dar, um komplexe Zusammenhänge verschiedener Diskriminierungsformen aufzudecken und unsere Praxis daran zu orientieren.

Achtung: Oft wird das Awareness-Team genutzt, um sich um Leute zu kümmern, die beispielsweise zu viel Alkohol konsumiert haben und/oder es körperlich schlecht geht. Wir würden vorher Leute fragen, ob sie Lust haben, das auch zu machen als Awareness-Team oder lieber Care-Team/Sanis und sie ggf. anders kennzeichnen.


Kritikfähigkeit.

Angemessen auf Kritik zu reagieren bedeutet für uns: Erstmal zuhören und sich nicht sofort in Verteidigungshaltung begeben. Akzeptieren, dass wir selbst manchmal unsensibel sein können und auch Fehler machen. Die Option, sich zu entschuldigen und Verhalten zu ändern in Betracht ziehen und unnötigen Stolz abbauen. Wir können stolz sein, wenn wir füreinander da sind und unser Bestes tun, uns solidarisch zu verhalten. Stolz auf irgendwelche Attribute zu sein, die von der Gesellschaft als gut empfunden werden, oder auf Kosten anderer bei unserer Wahrnehmung einer Situation zu bleiben, ist unangebracht.


Empowerment und Care.

Auf unserem Camp und Festival möchten wir, dass Leute empowert werden und sich umeinander kümmern. Das heißt: wenn du Diskriminierung erfährst, sollst du die Möglichkeit haben, dass Leute dir zur Seite stehen, wenn du diese Erfahrungen ansprechen und die ausübende Person konfrontieren möchtest. Wir freuen uns, wenn du hier Leuten findest, um über das Camp hinaus Aktionen gegen patriarchale Strukturen und Handlungen zu planen. Außerdem soll ein Raum geschaffen werden, indem über solche Diskriminierungserfahrung gesprochen wird und in dem betroffene Menschen Verständnis erfahren. Es soll nicht in Frage gestellt werden, wie schmerzhaft und ohnmächtig sich Diskriminierungserfahrungen anfühlen können.


Awareness Schicht.

Menschen, die eine Awareness-Schicht machen, sollen vorbereitet sein, sich mit den Betroffenen von Diskriminierung zu beschäftigen und solidarisch zu handeln.


Solidarisch zu sein bedeutet für uns mindestens:

· Emotionale Unterstützung geben und Emotionen bei den Betroffenen zulassen. Denn emotionales/individuelles Erleben soll Raum haben, es braucht nicht nur „faktische“ Informationen.

· Definitionsmach bei Betroffenen! Das heißt, dass wir betroffenen Menschen Glauben schenken und diese selbst definieren, ob und in welcher Form eine Erfahrung mit Diskriminierung zu tun hat oder nicht und wie sie betroffen sind.

· Nachfragen, was die Gedanken, Wünsche, Bedürfnisse und Forderungen der betroffenen Person sind (geht auch indirekt über Kontaktperson). Dabei sollen die Bedürfnisse der Betroffenen und die Situation nicht runtergespielt werden. Weiter soll der betroffenen Person auf keinen Fall das Gefühl gegeben werden, sie wäre anstrengend oder störend.

· Vorsicht: Nicht übertreiben, denn deine Position soll keine unangenehmen Folgen für die Betroffenen haben.

· Außerdem: Das Private ist politisch! Es ist keine/nicht nur persönliche Problematik mit irgendwem, wenn du diskriminiert wirst oder einen Übergriff erlebst.

· Wir finden: Besser Konfliktbegleitung, nicht Konfliktunterbindung. Verhindere nicht die Auseinandersetzung, indem du die politische Dimension runterspielst oder die Anschuldigung machst, dass Betroffene die Szene/Gruppe spalten.

· Es ist legitim, dass einzelne Personen keinen Kontakt zur Tatperson haben wollen. Nicht miteinander arbeiten zu wollen ist etwas anderes, als einen Ausschluss zu fordern.


Umgang mit Tätern bzw. den Personen, von denen problematisches Verhalten ausgeht.

· Verantwortungsübernahme unterstützen, Aufarbeitung fordern und kritisch-konstruktiv begleiten. Konstruktiv kritisieren, die Person unterstützen, problematisches Verhalten zu reflektieren und bessere Umgangsstrategien zu entwickeln/praktizieren.

· Es braucht einen angemessenen Umgang mit der beschuldigten Person, entsprechend der Betroffenheit, sowie der Einsicht und des Stands der Aufarbeitung.

· Kein Täterschutz betreiben! Das heißt: Nicht die Tatperson in Schutz nehmen oder die Tat herunterspielen. Kritisch auf Kontexte zu achten kann hilfreich sein. Kein Kontaktabbruch zu betroffenen Personen aufgrund der Ereignisse und nicht den Tathintergrund als Entschuldigung sehen (Erklärungen sind keine Entschuldigungen!).

· Schuldumkehrende Denkmuster sollten wir kritisch reflektieren (wollen), denn wir haben alle tatbeschönigende Denkmuster in uns, gerade, wenn wir persönlich involviert sind. Bezieh die subjektive Wahrnehmung/emotionale Lage der Betroffenen mit ein.

Dabei ist wichtig zu beachten, dass eine Person die diskriminiert hat, meistens keine schlimmere Person ist als alle anderen. Es geht darum, dass wir uns verändern können und nicht darum, dass wir perfekt sind und nie was Gemeines machen. Aber: Wenn es eine bestimmte Stufe von Übergriffigkeit übersteigt, dann müssen daraus mindestens Konsequenzen gezogen werden, dass die Betroffene Person sich wieder wohl fühlen kann.


Rückzugsort.

Wir möchten ein Rückzugsort bereitstellen. Wir glauben nicht, dass wir für bestimmte Identitätsgruppen „Saver Spaces“ aufgrund von Identität einrichten können. Wir möchten einen Ort ohne Drogen, mit Wohlfühl-Atmosphäre und zum Rückziehen bereitstellen.


Telefonnummer.

Außerdem werden wir eine Telefonnummer aufhängen, die ihr anrufen könnt. Des Weiteren könnt ihr euch bei unangenehmen Situationen an der Bar melden.


Disclaimer.

Das Awareness-Team ist kein Repressionsorgan. Du kannst zum Awareness-Team kommen, wenn es dir wegen Diskriminierungen oder ähnlichem nicht gut geht. Es ist nicht dafür dar, lang schwelende Konflikte auszutragen. Dafür braucht es ganz andere Strukturen, die wir auf dem Protestival nicht bereitstellen können. Wenn du in einer konkreten Gefahrensituation bist, wende dich an das Security Team.


Security-Team.

Das Security-Team soll ebenfalls für Diskriminierungsformen sensibilisiert sein und auf Teilnehmer*innen des Protestivals deeskalierend einwirken. Auf der anderen Seite muss eine Security wissen, wie man mit gefährlichen Leuten umgeht. Wir sind mitten auf einem Dorf in Hessen, manche unserer Nachbar*innen sind Faschos. Während der Waldbesetzung gab es zum Beispiel Brandanschläge auf einen Stromkasten. Bisher sind sie immer abgehauen, wenn sie angeschrien wurden. Unser Security Team wird Funken haben und kann somit schnell Hilfe holen. In Gefahrensituation von außerhalb braucht es viele von uns, damit wir uns verteidigen können.


Keine Cops.

Wir rufen nicht die Polizei. Wir denken, dass die Polizei die meisten auf unserem Camp mehr gefährdet, als ihnen zu helfen. Keine Polizei, keine Probleme. 1312.